Wieder einmal geht es um die Liebe und die verpasste Gelegenheit, die einem Leben eine tragische Wendung gibt. Für seine vierte Oper hatte sich Peter Tschaikowsky einer Vorlage von Alexander Puschkin bedient. Das 1879 in Moskau uraufgeführte Werk “Eugen Onegin” entwickelte sich schnell zu einem Klassiker seines Genres und zählt bis heute zum Inbegriff der hochkulturellen Darstellung der russischen Volksseele. In jedem Fall hat es über die Jahre hinweg viele Künstler inspiriert, so auch den Regisseur Petr Weigl, der seine bereits legendäre Filmversion von der Oper zur Interpretation von Sir Georg Solti verwirk- lichte. In fabelhaftem Surroundsound ist sie nun Teil der
Focus Edition 400 Jahre Oper, ein Glanzstück kinematogra- phischer Umsetzung großer, leidenschaftlicher Musik.
Peter Tschaikowsky ließ sich nicht vereinnahmen, auch wenn mancher ihn gerne vor den Karren des Nationalismus gespannt hätte. Geboren in Wotkinsk im mittleren Ural, aufgewachsen fern von den Verirrungen und Verlockungen der Großstadt, war er zwar zum einen ein idealtypischer Russe, verwurzelt in den Traditionen der Volksmusik, geprägt von der Frömmigkeit seiner Umgebung und der latenten Schwermut, den Menschen in kargen Landschaften zuweilen entwickeln. Auf der anderen Seite aber brachten ihn die Kunst und der Erfolg in den Kontext der internationalen Intelligentija, die ihn gerne als Nachfolger Glinkas oder zumindest als eine schillernde Figur im Kulturbetrieb verankert hätte. Tschaikowski jedoch, war zu schlau, um sich vereinnahmen und zu passioniert, um alles an sich abtropfen zu lassen. In den späten Jahren plagten ihn Depressionen, obwohl ihn seine Konzerte und vor allem Ballette zum Star der russischen Musikszene gemacht hatten. Als er aber 1877 seine vierte Oper “Eugene Onegin” schrieb, hatte er noch die nötige Naivität, um den von Alexander Puschkin adaptierten Stoff aus dem Überschwang des Gefühls heraus wachsen zu lassen.
Die Geschichte spielte im Russland des beginnenden 19.Jahrhunderts. Der Dichter Lenski liebt Olga, deren Schwester Tatjana wiederum verehrt den Gutsbesitzer Onegin, Lenskis Freund, der aber von ihr nichts wissen will. Bei einem Ball im Hause der Schwestern brüskiert Onegin nun seinen Kumpan, indem er mit Olga tanzt. Er wird zum Duell gefordert. Lenski stirbt, Onegin geht ins Ausland, schlägt sich durch. Jahre später begegnen sich der Duellflüchtling und Tatjana wiederum auf einem Fest. Die ehemalige Verehrerin ist vorteilhaft verheiratet. Onegin, der ihr nun seine Liebe gesteht und sie um Verzeihung bittet, wird von ihr fortgeschickt, obwohl sie ihn immer noch liebt. Jeder ist seines Glückes Schmied scheint als Quintessenz am Ende des Melodrams zu stehen, allerdings verzichtete Tschaikowsky auf Moralismen und konzentriert sich vor allem auf die emphatische Musik, mit der er die Handlung begleitet.
Die Oper “Eugen Onegin” zeigt den jungen Komponisten bereits auf der Höhe seiner Ausdruckskraft, als jemanden, der Kunst macht, ohne dabei artifiziell zu wirken und mit dem Fingerspitzengefühl für die nötige Portion Pathos Liebe und Enttäuschung in Töne fasst. Das wiederum reizte den Opernfilmspezialisten Petr Weigl (“Rusalka”, “Maria Stuart”, “Lady Mcbeth von Mzensk”) Ende der achtziger Jahre, sich mit dem russischen Sujet auseinander zu setzten. Er wählte den Weg der illustrierenden Darstellung und konnte auf diese Weise auf zahlreiche großartige Bilder zurückgreifen, die ihm die russische Landschaft ebenso wie das Stoff an sich nahe legten. Darüber hinaus hatte er mit der Einspielung durch Sir Georg Solti und das Orchester des Royal Opera House in Covent Garden eine der mitreißendsten Interpretationen ihrer Ära als musikalische Vorlage, die unter anderem auf Solisten wie Bernd Weikl in der Titelrolle, Julia Hamari als Olga, Teresa Kubiak als Tatjana und Anna Reynolds als Madama Larina zurückgreifen konnte. Alles in allem entstand auf diese Weise ein Meisterstück des Opernfilms, dessen Emotionalität und Atmosphäre vom ersten bis zum letzten Cut die Spannung hält.
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