Das Unterhaltungsbedürfnis war ungebrochen. Wer etwas auf sich hielt, warf sich in Schale und lies sich in den Operhäusern blicken. Auf diese Weise erlebten die französischen Bühnenkomponisten während des 19. Jahrhunderts eine einmalige Hausse der Sympathie, zumindest wenn sie sich in ihren Stücken an die Klischee-Bedürfnisse bürgerlicher Selbstvergewisserung hielten. So entstanden zahlreiche große Werke der Opernliteratur, aus deren reichhaltigem Repertoire Magdalena Kozená einige besonders reizvolle Beispiele für “French Arias” ausgewählt hat.
Hauptsache exotisch und emotional. Die Geschichten sollten ebenso eindrucksvoll wie exemplarisch und natürlich möglichst ungewöhnlich sein, damit sich der verwöhnte Geschmack der Haute Bourgeoisie an den Irrungen und Wirrungen der Darsteller delektieren konnte. Und was es da nicht alles gab: Jules Massenets “Cléopatra” zum Beispiel, der Prototyp des Vamps der Folgezeit und passend in die frauenfeindlichen Grundstimmung des Fin-de-Siècle. Zuvor natürlich Bizets “Carmen”, das emotionale Luder mit dem Spanien-Appeal, dessen wilde Emotionalität den Männern soweit den Kopf verdrehte, dass es sogar einigen Protest gegen die Oper gab. Weit gemäßigter, aber auch exotistisch spanisch präsentierte sich Ravels Einakter “L’Heure Espangole”, klassische Dramen-Themen boten Verdis “Don Carlos”, Gounods “Roméo et Juliette”, Massenets “Don Quichotte”, Offenbachs “Les Contes D’Hoffmann” und im weiteren Sinne auch Berlioz' dramatische Legende “La Damnation de Faust”. Wie auch immer die einzelnen Stoffe gewichtet waren – gemeinsam blieb ihnen der Zweck der gehobenen Unterhaltung und der klischeehaften selbstgewissen Verschlüsselung von Welt.
Insofern kann Magdalena Kozená in die Vollen greifen, wenn sie sich ein Programm mit französischen Arien des 19. Jahrhunderts zusammenstellt. Die Auswahl, die die Mezzosopranistin getroffen hat, ist dabei ebenso repräsentativ wie aufregend. Denn das Spektrum reicht von komplizierten Koloraturstücken über zarte Balladen bin hin zu impulsiven Gefühlsausbrüchen, wenn etwa Carmen ihr berühmtes “Zigeunerlied” anstimmt. Als Orchester steht ihr das Mahler Chamber Orchestra zur Seite. Die Leitung hat Marc Minkowski, eine Zusammenarbeit, die sich bereits bei den Einspielungen der “Italian Cantatas” und des “Guilio Cesare” von Händel bewährte. So kann Kozená einmal mehr beweisen, dass sie zu den aufsteigenden Stars am Sängerinnenhimmel gehört, der mit den französischen Opernliedern ein weiterer Schritt in Richtung internationaler Anerkennung gelungen ist.