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Christian Thielemann
Christian Thielemann

Groß im Kleinen

22.10.2004

Noch immer ist Felix Mendelssohn der missachtete Genius der Romantik. Mag sein, dass es an seinem disziplinierten Lebenswandel und übersprudelnden Talent lag, dass er nicht für die Mythisierungen taugte, die die meisten seiner berühmten Kollegen umwölkten. Jedenfalls hat Mendelssohn leichter und eleganter, kompakter und inspirierter komponiert als vieler seiner sich an der Sinfonik versuchenden Zeitgenossen. Das wird einmal mehr klar, wenn man die Ouvertüren zum “Sommernachtstraum” und den “Hebriden” hört, die Christian Thielemann in sein Programm “German Overtures” aufgenommen hat.

Felix Mendelssohn passt nicht in das seit dem Sturm und Drang populären Bild des genialisch leidenden Künstlers, denn er hatte sein Leben lang Glück. Am 3. Februar 1809 in Hamburg geboren gehörte er zu einer musisch und kulturell interessierten, wohlhabenden Familie und war mit Talenten überreich gesegnet. Er wurde wie seine drei Geschwister umfangreich und gründlich in Wissenschaft und Kunst unterrichtet, übersetzte flüssig Griechisch und Latein, schrieb inspirierte Prosa und Gedichte, zeichnete und malte ahnsehnlich, spielte virtuos Klavier und verschiedene Saiteninstrumente. Mendelssohn dirigierte charismatisch, war in Musik und Literatur seiner Zeit bewandert, pflichtbewusst, seriös, verlässlich. Seine Kindheit verlief glücklich und sorgenfrei, er liebte seine Familie und verehrte vor allem seinen Bruder Paul (der sich nach dem frühen Tod des Komponisten 1847 sorgfältig um die Pflege des künstlerischen Nachlasses kümmerte).

 

Mendelssohns Romantik hatte nichts mit der Egozentrik eines Liszt und Berlioz, nichts mit der Finsternis eines Schubert oder Brahms, nichts mit dem Geniegedanken eines Beethoven zu tun. Sie gründete vielmehr im tief empfundenen Protestantismus, in dessen Perfektionsbewusstein und Pflichtversessenheit, die ihn sich regelrecht zu Tode schuften ließ, aber auch immer wieder zu genialen Kompositionen inspirierte. Zu den beliebtesten Texten seiner Zeit gehörten Shakespeare und die Ossian-Fälschungen des Schotten James MacPherson. Mendelssohn liebte sie und schrieb ihnen zu Ehren unter anderem als gerade 17jähriger seine Ouvertüre zum “Sommernachtstraum”. Es war ein früher Geniestreich, denn die raffinierte motivische, dynamische und dramaturgische Arbeit rief in den Köpfen der Hörer tatsächlich eine Geister- und Feenwelt ab, die um Oberon und Titania intrigierte. Weiter noch ging Mendelssohn mit seiner Ouvertüre “Die Hebriden”, die im Anschluss an einen Schottlandaufenthalt 1829 entstand und so souverän mit den Klangfarben und Impressionen dieser Reise arbeitete, dass sich selbst der sonst nicht eben mit Komplimenten freigiebige Richard Wagner zu der Bemerkung hinreißen ließ, dies sei “eins der wunderbarsten Musikwerke”.

 

Für Christian Thielemann jedenfalls ist das Grund genug, die beiden Mendelssohn-Ouvertüren in den Mittelpunkt eines Programmes mit gattungsverwandten Werken zu stellen. Da findet sich einiges ebenfalls mit Shakespeare-Bezug wie Carl Maria von Webers “Oberon” oder Otto Nicolais “Die lustigen Weiber von Windsor”, darüber hinaus Heinrich August Marschners “Hans Heiling”, eine weniger erfolgreiche Ouvertüre Webers (“Euryanthe”) und Wagners Einleitung zu “Rienzi, der letzte der Tribunen”. Der Chef der Münchner Philharmoniker und Echo-Preisträger 2004 widmete sich im September und November 2002 mit den Wiener Kollegen den sinfonischen Mikrokosmen mit dem Ernst der großen orchestralen Kollegen. Und er versteht es aus dem Ensemble die Stärken herauszulocken, vom schmissigen Nicolai bis hinein in die subtilen Färbungen bei Mendelssohn und Wagner. Ein guter Einstieg in die Klangwelt des Stardirigenten Thielemann und zugleich ein spannendes Dokument historischer Kabinettstückchen.

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