Maurizio Pollinis Name ist untrennbar mit der Musik des polnischen Komponisten
Frédéric Chopin verbunden.
Dabei hatte sich der Pianist aus Mailand nach seinem Sieg beim 1960er Chopin-Wettbewerb im Alter von nur 18 Jahren vor dem eigentlichen Beginn seiner Weltkarriere vorerst wieder zurückgezogen – aus Angst, zu sehr auf sein Chopin-Spiel festgelegt zu werden. Pollini nahm sich Zeit, erweiterte seinen Horizont, vertiefte sich in aussermusikalische Studien und suchte die Nähe zur musikalischen Avantgarde um die Komponisten Luigi Nono und Pierre Boulez, deren Werke er seither in seinem Repertoire führt.
Meilenstein der Aufnahmegeschichte In den frühen 1970er Jahren entstanden die ersten, heute legendären Chopinaufnahmen für
Deutsche Grammophon. Sie dokumentieren Pollinis neuartige
Chopin-Vision und veränderten das Bild des polnischen Komponisten ebenso nachhaltig wie die Interpretation seiner Werke. Insbesondere die Einspielung der
Préludes op. 28 vermittelt den überragenden Intellekt des jungen Virtuosen, der mit geschärftem Formsinn, unsentimentalem Zugriff und außergewöhnlichem pianistischem Differenzierungsvermögen verdeutlichte, dass Chopin ein geistiges Kind des großen Polyphonikers Bach und ein harmonischer Visionär war, der weit in die Zukunft blickte.
Neuaufnahme der Préludes Nach dem ungarischen Pianisten
András Schiff, der sich mit dem Abstand von zwei Jahrzehnten jüngst zur Veröffentlichung seiner zweiten Studioaufnahme des Wohltemperierten Claviers von J. S. Bach entschloss, legt mit Maurizio Pollini ein weiterer Altmeister seine alternative Version einer früheren Einspielung vor: 40 Jahre nach Veröffentlichung seiner bahnbrechenden ersten Studioaufnahme der Préludes erscheint nun Pollinis
Neufassung. Während Schiff in seiner ersten Aufnahme Anflüge von Sentimentalität entdeckte, die er zu korrigieren beabsichtigte, zeigt sich Pollini im Jahr seines
70. Geburtstags altersmilde.
Ein gutes Stück romantischer Vor einigen Jahren zu seinem Chopinspiel befragt, entgegnete Pollini: “Wenn ich mir meine ersten Aufnahmen aus den frühen 1970ern anhöre, mag ich sie noch immer, insbesondere einige Etüden. Jedoch war meine
Tempogestaltung damals sehr strikt. Ich denke, dass ich Chopin heute in einer freieren Weise spiele.” Er fügte hinzu: “Noch immer habe ich eine bestimmte Idee, dass zu viel Rubato unserem Bild dieses Komponisten nicht zum Besten gereicht. Daher ist hier eine starke Zurückhaltung geboten. Es ist keine Frage des Wieviel, sondern eine Frage der
Qualität des Rubato.”
Pollinis frühen Chopin-Aufnahmen wurde häufig eine gewisse Kühle und Distanz vorgeworfen. In seiner großartigen neuen Einspielung stellt der Meisterpianist eine subjektivere und dramatischere Lesart des bedeutenden Miniaturenzyklus’ vor.
Maurizio Pollinis Chopin ist ein gutes Stück romantischer geworden.