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Hector Berlioz
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The Originals - H.Berlioz, Sir Colin Davis: Die fixe Idee

05.07.2006

Da war zum einen Beethoven, der Übervater des Symphonischen, Licht- und Schreckensgestalt in einem für jemanden, der mit dem gleichen Medium des Orchesters arbeiten wollte. Da war aber auch der Freigeist des juvenilen Revoluzzers, der gerade im Angesicht des Titanen erst seine wirkliche Kraft zu entwickeln vermochte. So wurde die “Symphonie Fantastique” von Hector Berlioz zur Fortsetzung der bisherigen orchestralen Klangvorstellung und darüber hinaus zu einem Epochensprung in die romantische Freiheit, die sich von den Fesseln des Althergebrachten löste und es noch immer schafft, mit ihrer Kühnheit zu überraschen – besonders dann, wenn ein Maestro wie Sir Colin Davis sich ihr annimmt.

Hector Berlioz war begeistert. Intensiv hatte er die Klangsprache Beethovens studiert und anhand von Partituren versucht, jeden Kniff des Idols zu verstehen. Zugleich aber hatte er für sich beschlossen, einen anderen Weg zu gehen, und berichtete seiner Schwester von der empfundenen Freude, “wenn ich an jenes Feld von Akkorden denke, das wegen akademischer Vorurteile bislang unbeackert blieb und das ich seit meiner Emanzipation als mein Gebiet betrachte”. Berlioz wollte Neues schaffen, Klangwelten, die über die Gattung an sich in andere Felder hineingreifen. Die “Symphonie fantastique” ist Programmmusik. Allerdings steckt eine verwirrende, psychedelische Geschichte hinter der Komposition. Berlioz beschrieb sie mit einem Augenzwinkern: “Ein junger Komponist von krankhafter Empfindsamkeit und glühender Fantasie hat sich in einem Anfall verzweifelten Liebeskummers mit Opium vergiftet. Die Dosis […] versenkt ihn in einen langen Schlaf, den die seltsamsten Visionen begleiten […]. Die Geliebte wird für ihn zu einer Melodie, zu einer ‘idée fixe’, die er überall wieder findet und überall hört”. Diese fixe Idee erscheint in verschiedenen Veränderungen in dem Werk, im Kern ein einfaches Motiv vier absteigender Töne, und stellt genau genommen die Übertragung des Prinzips des Leitmotivs aus der Welt der Oper in die des Orchesters dar. So verwunschen der Plot hinter der Musik auch gewesen sein mag, Berlioz gestaltete die Symphonie zielstrebig und griff mit der idée fixe auf ein Motiv zurück, das ihm bereits seit jungen Jahren, als er noch für die damalige Liebe seines Lebens Estelle schwärmte, durch den Kopf ging.

Die Durchführung folgte einem klaren Plan, den Berlioz in erklärender, literarischer Form der Symphonie als “Episode aus dem Leben eines Künstlers” zur Seite stellte. Da sind zunächst die “Rêveries, Passions”, die leidenschaftlichen Träume des jungen Komponisten, die ihn bis zum Erscheinen der Geliebten begleiten und der Musik eine schwebende, zwischen Euphorie und Melancholie schwankende Stimmung verleihen. Bei “Un Bal” begegnet er der Angebeteten  im pompösen Rahmen, entsprechend tanzhaft und klangmächtig erscheint das Orchester. “Scène aux champs”, die Szene auf dem Land, ist eine mit Flötenspiel und Donnergrollen durchzogene Erinnerung an die Einfachheit der Idyllen. Unüberhörbar aber ballen sich bereits die unheilstiftenden Kräfte zusammen, die drogenumnebelt die Gedanken des Schriftsteller nach dem fantasierten Mord an der Geliebten auf den Richtplatz (“Marche au supplice”), schließlich zum Hexensabbath (“Songe d’une nuit du sabbat”) führen. Diese Verknüpfung von außermusikalischem Programm mit einer Komposition war anno 1830, als die “Symphonie Fantastique” am Pariser Konservatorium uraufgeführt wurde, etwas Sensationelles und verhalf Berlioz zu kontroversen Auseinandersetzungen in der Fachwelt. Aus heutiger Perspektive stellt sich das Werk als Startschuss einer neuen Ära romantischer Poetisierung von Musik dar, die die Klangvorstellungen des 19.Jahrhunderts prägte. Welch eine Kraft und Energie von ihm ausgeht, zeigt sich auch noch rund eineinhalb Jahrhunderte nach dessen Entstehung, wenn sich große Dirigenten wie Sir Colin Davis ihm annehmen. Im Januar 1974 widmete er sich gemeinsam mit dem holländischen Concertgebouw Orchestra in Amsterdam einer Einspielung, die zu den Klassikern der Belioz-Interpretation zählt. Denn hier wurde mit den Tempi gespielt, ohne willkürlich zu sein, hier wurden Farben zum Schillern gebracht, die souverän die romantischen Klangideale verdeutlichten, ohne sie zu verklären. Das ist faszinierende Kunst, auf der Seite des Komponisten ebenso wie auf der der Interpreten.

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