Anne-Sophie Mutter | Biografie

Biografie Anne-Sophie Mutter

Anne-Sophie Mutter
© Stefan Höderath / DG
Anne-Sophie Mutter gilt unbestritten als eine der größten Geigerinnen der modernen Zeit. Ihre herausragenden künstlerischen Fähigkeiten zeigen sich in ihrem Reichtum des Tons, dem unübertrefflichen Ausdruck, ihrer vollendeten technischen Virtuosität und tiefen Musikalität. Geboren im badischen Rheinfelden, zeigte sie schon früh Anzeichen einer außergewöhnlichen Begabung. Im Alter von fünf Jahren begann sie mit dem Klavierspiel, bald darauf erhielt sie ersten Geigenunterricht bei Erna Honigberger, einer Schülerin von Carl Flesch, und als Neunjährige nahm sie ihr Studium bei Aïda Stucki auf, einer inspirierenden Schweizer Musikerin und Lehrerin.
1976 hörte Herbert von Karajan die 13-jährige Anne-Sophie Mutter bei einem Recital während der Luzerner Festwochen. Der legendäre Dirigent lud die junge Geigerin ein, ihr Konzert-Debüt mit den Berliner Philharmonikern bei der Salzburger Pfingstfestspielen 1977 zu geben. Die Partnerschaft wurde 1978 fortgesetzt, als Mutter ihre erste Aufnahme für Deutsche Grammophon machte, ein Album mit Mozarts Violinkonzerten Nr. 3 und 5. Mutter arbeitete regelmäßig mit Karajan und den Berliner Philharmonikern zusammen und es entstand eine Reihe von maßstabsetzenden Aufnahmen der Violinkonzerte von Beethoven, Brahms, Bruch und Mendelssohn für das gelbe Label. Ihre Debüts in Berlin (1978), Washington und New York (1980), Tokio (1981) und Moskau (1985) fanden den Beifall der Kritiker, und schon bald war sie regelmäßig in den angesehensten Konzertsälen der Welt zu hören.
1986 wurde sie auf den internationalen Lehrstuhl für Violinstudien an der Royal Academy of Music in London berufen. Im Jahr darauf gründete sie die Rudolf-Eberle-Stiftung, die außergewöhnlich begabte junge Streicher europaweit förderte. Seit 1997, als die Stiftung in den Freundeskreis der Anne-Sophie Mutter Stiftung integriert wurde, arbeitet die Organisation weltweit. Die Anne-Sophie Mutter Stiftung selbst wurde dann 2008 ins Leben gerufen. Mutters Engagement für die Förderung junger Musiker hat zur Karriere vieler bedeutender Musiker beigetragen, darunter Daniel Müller-Schott, Sergey Khachatryan, Roman Patkoló, Leonard Elschenbroich und Kian Soltani. 2011 gründete die Geigerin die Mutter’s Virtuosi, ein Ensemble von ehemaligen und gegenwärtigen Stipendiaten der Anne-Sophie Mutter Stiftung und ausgewählten anderen jungen Musikern. Im Auftrag der Stiftung entstanden André Previns Konzert für Violine und Kontrabass sowie dessen Nonett für zwei Streichquartette und Kontrabass, Krzysztof Pendereckis Duo concertante, Wolfgang Rihms Dyade und Sebastian Curriers Ringtone Variations.
Anne-Sophie Mutters Engagement für die Zukunft der Musik für Streicher wird auch in ihrem Eintreten für die Musik der Gegenwart deutlich. 1986 spielte sie die Uraufführung von Chain II, das Witold Lutosławski für sie und die Paul Sacher Stiftung komponierte, und nahm das Werk für Deutsche Grammophon auf. Zu ihren Uraufführungen zählen Rihms Gesungene Zeit und Lichtes Spiel, Pendereckis Violinkonzert Nr. 2 Metamorphosen, La Follia für Solovioline und Duo concertante für Violine und Kontrabass, Dutilleux’ Sur le même accord, Gubaidulinas Violinkonzert In tempus praesens, Previns Violinkonzert »Anne-Sophie«, sein Violinkonzert Nr. 2 und seine Violinsonate Nr. 2 sowie Curriers Aftersong und Time Machines. Diese und andere neue Werke hat sie für das gelbe Label aufgenommen, außerdem Meisterwerke des 20. Jahrhunderts wie die Violinkonzerte von Berg und Strawinsky sowie das Violinkonzert Nr. 2 von Bartók.
Ende der 1990er-Jahre nahm Mutter Vivaldis Le quattro stagioni mit den Trondheim Soloists und Beethovens Violinsonaten mit ihrem regelmäßigen Duo-Partner Lambert Orkis auf. Die Beethoven-Aufnahme wurde mit einem Grammy® und dem Echo-Preis ausgezeichnet, das Vivaldi-Album fand außerordentlich positive Resonanz und wurde weltweit über 370 000-mal verkauft. Das neue Jahrtausend begann Mutter mit einer Reihe von Tournee- und Aufnahmeprojekten, darunter Back to the Future, ein Rückblick auf bedeutende Violinwerke des 20. Jahrhunderts, und Recital 2000, ein Album mit Kammermusik von Crumb, Prokofjew, Respighi und Webern. 2001 führte Mutter sämtliche Violinkonzerte von Mozart an zwei Abenden als Artist-in-residence in der Carnegie Hall sowie mit den Wiener Philharmonikern in Wien und auf Deutschlandtournee auf. Previns Tango Song and Dance, das ihr gewidmet ist und von ihr uraufgeführt wurde, stand im Mittelpunkt eines gleichnamigen Recital-Albums und ihres Tourneeprogramms im Jahr 2003. Zu ihren Aufnahmen mit Previn als Dirigent gehören die preisgekrönten Aufführungen seines Violinkonzerts »Anne-Sophie« und der Violinkonzerte von Korngold und Tschaikowsky (Echo-Preis 2005 als »Instrumentalistin des Jahres«). Die Geigerin feierte Mozarts 250. Geburtstag im Jahr 2006 mit internationalen Tourneen und Gesamtaufnahmen seiner Violinsonaten und Violinkonzerte.
2008 erschienen ihre ersten Bach-Aufnahmen für Deutsche Grammophon in einem Album mit den beiden Violinkonzerten des Komponisten und der Welt-Ersteinspielung von Gubaidulinas Konzert In tempus praesens. Es folgte ein Mendelssohn-Album anlässlich dessen 200. Geburtstags (2009); eine Gesamtaufnahme von Brahms’ Violinsonaten mit Lambert Orkis (2010); ein Album mit Ersteinspielungen von Werken von Rihm, Currier und Penderecki (2011); und die Veröffentlichung von ASM35, einer 40-CD-Box mit sämtlichen Aufnahmen Mutters für Deutsche Grammophon (2011), herausgegeben anlässlich des 35. Jahrestags ihres professionellen Debüts. Im Juni 2013 kamen Anne-Sophie Mutter und die Berliner Philharmoniker in der Berliner Philharmonie zusammen, um ihre erste gemeinsame Studio-Aufnahme seit fast 30 Jahren zu machen: Mutters erste Einspielung des Violinkonzerts von Dvořák erschien unter dem Beifall der Kritik im Oktober 2013.
Anne-Sophie Mutter gab ihr Debüt in der Yellow Lounge der Deutschen Grammophon 2013 an einem Septemberabend im Berliner Asphalt-Klub, wo sich zahlreiche junge Clubber unter den 300 Zuhörern befanden. Sie wiederholte dieses Erlebnis im Mai 2015 mit zwei Auftritten in der Berliner Neuen Heimat, einem umgebauten Bahnhof im Szeneviertel Friedrichshain. Ihre Aufführungen wurden live für das erste Yellow-Lounge-Album der Deutschen Grammophon aufgenommen, das im August 2015 erschien. Die Veranstaltung wurde zudem vom ZDF für eine Fernsehausstrahlung und einen späteren Dokumentarfilm aufgezeichnet.
Im Oktober 2016 trat die Geigerin anlässlich des 35-jährigen Jubiläums ihres Japan-Debüts in Tokio mit den Wiener Philharmonikern und Seiji Ozawa, den Mutter’s Virtuosi und Lambert Orkis auf. In der Spielzeit 2016/17 feierte sie zudem mit einem Konzert das 40-jährige Jubiläum ihres ersten Auftritts bei den Salzburger Pfingstfestspielen, und beim Tanglewood Festival wirkte sie in der Uraufführung von John Williams’ Markings für Solovioline, Streicher und Harfe mit. Im November 2017 erschienen bei Deutsche Grammophon ihre Aufführungen von Schuberts »Forellen-Quintett« und seinem Klaviertrio »Notturno«, ihre Partner waren der Pianist Daniil Trifonov und die Mutter Virtuosi. Ihr Programmschwerpunkt für 2018 war die Musik von Penderecki anlässlich der Feiern zu dessen 85. Geburtstag. Besonders erwähnenswert war dabei ihr Recital mit Lambert Orkis in der Carnegie Hall, wo sie Pendereckis Violinsonate Nr. 2 im Rahmen eines Programms darbot, zu dem auch die Uraufführung von André Previns The Fifth Season gehörte. Mutters erste Aufnahme der Violinsonate Nr. 2 erschien im August 2018 in Hommage à Penderecki, einem Doppelalbum mit Werken des polnischen Komponisten für Solovioline und Violine mit unterschiedlicher Begleitung.
In der Spielzeit 2018/19 hatte sie eine Schlüsselrolle bei den DG120-Feierlichkeiten inne. Am 6. November spielte sie bei der DG120-Gala in Berlin mit Manfred Honeck und der Staatskapelle Berlin die deutsche Erstaufführung von John Williams’ Markings und die Uraufführung von dessen Across the Stars, das auf Motiven aus Krieg der Sterne basiert – beide Werke sind der Geigerin gewidmet. Sie wirkte zudem bei den DG120-Galas in Tokio und Seoul mit, erstere fand in Anwesenheit der japanischen Kaiserfamilie statt.
Ihre musikalische Partnerschaft mit John Williams wurde im April 2019 weiter gestärkt, als sie gemeinsam in Hollywood eine breite Auswahl seiner Filmthemen in neuen Adaptationen aufnahmen, die er eigens für sie schrieb. Das daraus resultierende Album, Across the Stars, enthält Musik aus mehreren Filmen der Reihe Krieg der Sterne, »Hedwig’s Theme« aus Harry Potter sowie Themen aus Die Geisha, Schindlers Liste und anderen Filmen. Es wurde im August 2019 veröffentlicht und fand großen Anklang beim Publikum und den Kritikern – die Zeitschrift Gramophone nannte es »ein verschwenderisches Fest des Musizierens« und feierte »die außerordentlichen künstlerischen Fähigkeiten Mutters und die umsichtige Leitung des Komponisten«.
Auf ihrem jüngsten Album ist die Geigerin mit Daniel Barenboim, Yo-Yo Ma und dem West-Eastern Divan Orchestra in einer ganz besonderen Aufnahme von Beethovens Tripelkonzert für Klavier, Violine, Cello und Orchester zu hören: Sie feiert Beethovens 250. Geburtstag und das 20-jährige Bestehen des West-Eastern Divan Orchester und erscheint zudem 40 Jahre nach der heute legendären Einspielung des Werks, die Mutter und Ma mit Herbert von Karajan machten. Das Konzert ist gekoppelt mit der Symphonie Nr. 7, das Album wird am 8. Mai 2020 veröffentlicht.
Mutter begann die laufende Saison mit einem Special Across the Stars: Begleitet vom Royal Philharmonic Orchestra und David Newman spielte sie eine Auswahl von John Williams’ Filmthemen live auf dem Münchener Königsplatz in ihrem ersten Open-Air-Konzert überhaupt (14. September 2019). Weitere Verpflichtungen in jüngster Zeit waren unter anderem im Oktober Aufführungen von Beethovens Tripelkonzert mit Barenboim, Ma und dem West-Eastern Divan Orchestra in Köln, Paris und Berlin (wo sie das Werk aufnahmen); Auftritte mit den Mutter Virtuosi in Buenos Aires, Lima und Bogotá; Recitals, Kammermusik und Konzerte auf einer Asientournee mit Stationen in Hongkong, Seoul, Kaohsiung City, Taipei City und Peking; und zwei Konzerte »A Tribute to John Williams« mit den Wiener Philharmonikern und John Williams im Wiener Musikverein (Januar 2020).
Anne-Sophie Mutter nutzt seit Langem ihr öffentliches Image, um wohltätige Ziele zu unterstützen, insbesondere ist es ihr Anliegen, medizinische und soziale Probleme zu lindern. Ihre Benefizkonzerte erbrachten unter anderem Mittel für Save the Children Japan und Save the Children Yemen, die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, die Opfer des Tsunamis und der Nuklearkatastrophe in Japan 2011, das Haus der Diakonie in Wehr-Öflingen der Hanna und Paul Gräb-Stifung, Artists against Aids in den USA, die Bruno Bloch Stiftung, den in London ansässigen Beethoven Fund for Deaf Children, SOS Kinderdörfer in Syrien, den Flüchtlingsrat Leipzig und das »Healing Arts Program« am Fred and Pamela Buffett Cancer Center (Omaha).
Mutters zahlreiche Preise und Auszeichnungen sind ebenso Spiegel ihrer humanitären Arbeit wie ihrer künstlerischen Fähigkeiten. Dreimal gewann sie einen Grammy® für die »Beste Aufführung eines Instrumentalsolisten (mit Orchester)«, 2008 erhielt sie den Ernst von Siemens Musikpreis, 2009 wurde sie für ihre Verdienste um die französische Musik der Gegenwart in die Ehrenlegion aufgenommen, 2011 erhielt sie den Erich-Fromm-Preis für die Förderung des Humanismus durch soziales Engagement. Zu ihren weiteren Auszeichnungen zählen das deutsche Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, der Mendelssohn-Preis und der Brahms-Preis, der Herbert-von-Karajan-Musikpreis und der Bayerische Verdienstorden. 2013 wurde Anne-Sophie Mutter ausländisches Ehrenmitglied der American Academy of Arts & Sciences, 2015 wurde sie zum Ehrenmitglied des Keble College, Oxford, ernannt, und 2016 erhielt sie vom spanischen Kulturministerium die Goldene Verdienstmedaille der schönen Künste. Im November 2017 wurde sie zum Offizier des rumänischen Kultur-Verdienstordens sowie zum Commandeur des französischen Ordre des Arts et des Lettres ernannt. Im Februar 2018 wurde sie Ehrenmitglied der Accademia Nazionale di Santa Cecilia, und vier Wochen später erhielt sie in Polen die goldene Gloria-Artis-Medaille für kulturelle Verdienste. Im vergangenen Juni war sie eine der Preisträgerinnen des schwedischen Polar Music Prize 2019, und im Oktober erhielt sie den japanischen Praemium Imperiale für Musik.
3/2020
Folge der Deutschen Grammophon