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Leonard Bernstein
Leonard Bernstein

Genie bei der Arbeit

16.09.2005

Es war schon seltsam. Über all die Jahre hinweg, in denen die “West Side Story” seit ihrer Uraufführung 1957 die internationalen Bühnen eroberte, hatte sie Leonard Bernstein kein einziges Mal selbst dirigiert. So war es auch für ihn eine Premiere, als er im September 1984 in einem New Yorker Aufnahmestudio erschien, um mit einem speziell für diese Gelegenheit zusammengestellten Starensemble sein bekanntestes Werk für die Nachwelt festzuhalten. Darüber hinaus hatte sich ein Kamerateam der BBC angesagt, das den Prozess der Entstehung dieser Aufnahme dokumentieren wollte. Daraus entwickelte sich ein vielfach prämierter Fernsehklassiker, der mit reichlich Charme und Kenntnis Einblicke in die Arbeitsweise eines musikalischen Genies bietet.

Das muss man erst einmal bringen: Da steht eine Koryphäe wie José Carreras vor dem Mikrofon, singt ein durchaus gänsehautverdächtiges “Maria” und Bernstein unterbricht das Ganze, weil ihm ein paar Details noch nicht behagen. Der Take muss am folgenden Tag wiederholt werden, der Tenor verlässt sichtlich verärgert den Raum. Doch als dann nur wenige Stunden später sich alle wieder bei der Arbeit einfinden, erklingt die Liebeshymne nur um so betörender und die eigentliche Entscheidung erwies sich als richtig. Es ist nur eine Szene aus der rund eineinhalbstündigen Dokumentation The Making Of West Side Story, aber sie illustriert deutlich, worum es Bernstein ging. Er hatte die Möglichkeit, unter idealen Bedingungen selbst seinen Bühnenhit aufzunehmen und er war wild entschlossen, daraus auch wirklich die bestmögliche Interpretation zu machen.

 

Das fing schon an bei der Instrumentierung, die weitaus üppiger ausfiel als das sonst theatertechnisch reduzierte Ensemble. Bläser und Streicher waren teilweise mehrfach besetzt, nur die beiden Schlagwerker bestanden auf die ursprüngliche Anordnung der Pfeifen, Rasseln und Trommeln. Die Stimmen wiederum konnten nach den akustischen Idealvorstellungen ausgewählt werden, weil sie keine optische Umsetzung brauchten. Für Bernstein war das ein Experiment, aber eines, das funktionierte: “Ich hatte bei West Side Story immer an Teenager gedacht und es gibt keine Teenager-Opernsänger, das ist ein Widerspruch in sich. Aber dies hier ist eine Aufnahme, und die Leute müssen nicht wie sechzehn aussehen, sie müssen nicht tanzen und ein schweres Stück achtmal die Woche spielen können. Deshalb gingen wir den ziemlich unkonventionellen Weg, mit Weltklasse-Opernsängern zu besetzen. Ich denke, das einzige unvorhersehbare Problem war, dass sie zu alt klingen könnten – aber das ist nicht der Fall: Sie klingen ganz einfach wunderbar!”

Neben Carreras als Tony standen in den Hauptpartien Kiri Te Kanawa (Maria), Tatiana Troyanos (Anita) und der junge Kurt Ollmann (Riff) dem Meister zur Seite. Dazu ein grandioses Chorensemble, das aufwändige und komische Lieder wie “Gee, Officer Krupke” ebenso meisterte, wie das temperamentvolle Frage-Antwortspiel von “America”. Das Zentrum des Ganzen jedoch war Leonard Bernstein selbst, der rundliche Maestro im knallroten Pulli, der mit der ihm eigenen unwiderstehlichen Art, Orchester und Sänger anführte, humorvoll und charmant, ernst und rasant. Er ließ sich selbst von seiner Musik mitreißen, tänzelte und wippte, lachte und schimpfte, wie ein kleiner Junge, der mit seinem Lieblingsspielzeug hantiert. Kiri Te Kanawa brachte es folgendermaßen auf den Punkt: “Er ist ein Mann mit vielen Gefühlsregungen. Man kann seine Stimmungen deutlich sehen, seine Frustrationen, sein Glücksgefühl, sein Bedürfnis, für Menschen zu musizieren. Das macht diesen Mann so interessant. Man versucht ständig in ihm zu lesen, aber er befindet sich auf einem anderen Planeten”.

So waren es noch am ehesten die Kameras, die ihm einen kleinen Teil seines Schattens abtrotzen konnten. Denn das Team der BBC in Zusammenarbeit mit der Firma Unitel beobachtete ihn mit gekonnter Mischung aus Neugier und Nachhaltigkeit, immer darauf bedacht, den genialischen Funken einfangen zu können, den Bernstein zu versprühen vermochte. Und deshalb ist diese Dokumentation selbst ein Klassiker geworden, dem es gelingt, die Freude am Musikmachen zu kommunizieren und darüber hinaus einen Genius bei der Arbeit zu begleiten.

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