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John Eliot Gardiner
John Eliot Gardiner

Das Original

20.12.2002

Die Hörvorlieben des 19. Jahrhunderts verfälschten die Wahrnehmung von Musik. Man hatte es gerne ausgeglichen, stilvoll, zuweilen gepflegt pathetisch. Gesucht wurde der schöne Klang der romantischen Emotion und so wurde manches korrigiert, was nicht ins Schema passte. Zum Beispiel Beethovens Symphonien, deren raue Diktion und revolutionäres Impetus bereits vom Biedermeier und dessen Folgen überformt worden war.

Die Quellenlage ist im Fall Ludwig van Beethovens besonders kompliziert. Das hat viele Gründe, sein mangelndes Interesse an den eigenen Autographen etwa, die ihn nach dem Druck kaum noch interessierten. Oder auch die mit zunehmendem Alter immer genialischer werdende Handschrift, die die Forschung zunehmend von Kopisten und deren Arbeiten abhängig macht. Oder auch die Dominanz der Gesamtausgaben der Symphonien von Breitkopf & Härtel aus den Jahren 1862–64 und deren Derivaten, die zwar für den Stand ihrer Zeit angemessen die Partituren edierten, allerdings aus der Perspektive der Spezialisten von heute zahlreiche Fehler bis hin zu partiell fehlenden Instrumentenstimmen enthielten. Der Beethoven der Romantik des 19. und mittleren 20. Jahrhunderts war daher ein korrigierter und zuweilen auch gezähmter Genius der Wiener Klassik. Dazu kam noch die rasante Entwicklung der Instrumente von der Böhmflöte und den Ventilen der Hörner bis zu modernen Geigensaiten und Paukenfellen, die den Klang der Musik nachhaltig veränderten.

 

Sir Eliot Gardiner hatte daher viel Arbeit vor sich, als er eine historisch-kritische Einspielung der Beethoven-Symphonien unter möglichst originalgetreuen Vorgaben anstrebte. Der erste Schritt auf diesem Weg war 1990 die Gründung des Orchestre Révolutionaire et Romantique, das sich in Besetzung und Instrumentarium (Naturhörner, Flöten ohne die komplizierte Boehm-Mechanik, Darmsaiten und historische Bogen, Pauken mit Naturfell und harten Schlegeln etc.) am jeweiligen Stand der Aufführungspraxis orientierte. Dazu kam ein intensives Studium der Vorlagen einschließlich zahlreicher Entdeckungen der Forschung wie etwa der 1984 in Privatbesitz wiedergefundenen Stichvorlage des Sechsten Symphonie. Gardiners Aufnahmen sollten dann ursprünglich im Anschluss an eine Japan-Tournee im Oktober 1992 entstehen, wurden dann allerdings doch in Studio- und Konzertversionen aufgeteilt. Die Symphonien Nr.2, Nr.4, Nr.6 und Nr.9 wurden extra nach Auftritten in London festgehalten, die übrigen entstanden vor Publikum.

 

Tatsächlich hat sich die Mühe Gardiners und seiner Mitstreiter gelohnt. Denn Beethoven wurde unter seiner Leitung transparenter, deutlicher in der Gestaltung. Er wurde vom interpretatorischen Pathos der bürgerlich geprägten Epoche entschlackt und in eine Form nachvollziehbarer Schärfe überführt, die manche Urteile begeisterter Zeitgenossen, die sich an der Wildheit der Werke des Komponisten berauschten, nachvollziehbar machen. Es handle sich daher, nach Meinung des Rezensenten des Fonoforums, um “schlicht umwerfende spieltechnische Perfektion, mit der Gardiners Orchestre Révolutionaire et Romantique hier aufwartet. In ihrer wohlkalkulierten Einheitlichkeit beeindrucken Gardiners Interpretationen – Respekt vor so viel nachschaffender Reflexion, vor so viel ungebrochenem Künstlertum!”. Und das Time Magazine fügte hinzu: “Wenn man sich die elektrisierende Sammlung anhört, dann ist es wie eine Wiederentdeckung dieser revolutionären Kompositionen mit all ihrer Wunderkraft”.

 

Die Referenz:

 

"Schlicht umwerfende spieltechnische Perfektion, mit der Gardiners Orchestre Révolutionaire et Romantique hier aufwartet. In ihrer wohlkalkulierten Einheitlichkeit beeindrucken Gardiners Interpretationen – Respekt vor so viel nachschaffender Reflexion, vor so viel ungebrochenem Künstlertum! " (W. Pfister, FonoForum 11/1994)

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