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John Eliot Gardiner
John Eliot Gardiner

Prachtstück der Romantik

03.06.2005

An die Stringenz und Klarheit des “Freischützes” kam der Oberon nicht heran. Es war auch gar nicht möglich, denn die rokokohaft verschlungene Handlung, die James Robinson Planché in englischer Sprache nach einer Vorlage von Christoph Martin Wieland geschaffen hatte, führte die Hauptpersonen in märchenhafte, exotische Räume und legte ihnen zahlreiche Prüfungen auf. Trotzdem ist die letzte eigenhändig vollendete Oper von Carl Maria von Weber (1786–1826) ein Schmuckstück der musikalischen Romantik. Wer es nicht glaubt, der hat nun die Gelegenheit, es anhand der Neueinspielung unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner nachzuprüfen.

Die Figuren kannte man schon von William Shakespeare, der gerade durch die jungen Romantiker eine umfassende Renaissance auf deutschen Bühnen erlebte. Da waren Oberon, der König der Elfen, und Titania, seine launische Gattin, die sich in ihrem Feenreich mal wieder langweilten und daher stritten, wer dem anderen treuer sei. Die Auflösung dieser Frage in Form einer Wiedervereinigung sollte geschehen, sobald ein Menschenpaar gefunden würde, dass allen Wirrungen zum Trotz sich treu bleibt. Über seinen Boten Puck erfährt Oberon von einem Ritter names Huon von Bordeaux, der ihm geeignet für die Prüfungen erscheint. Er schickt ihn mit Zauberkräften unterstützt in den Orient, läßt ihn dort die schöne Reiza von einer Hochzeit entführen, die sie mit einem ihr widerstrebenden Gatten verbinden sollte. Die beiden fliehen mit einem Schiff und dann beginnen erst die eigentlichen Prüfungen. Sie werden nach einem Sturm ans Ufer gespült, landen in Gefangenschaft, werden als Sklaven verkauft. Beim Emir von Tunis treffen sich alle wieder, verschiedene Verführungen werden eingefädelt, doch Reiza und Huon bleiben standhaft bis zum vermeintlichen Tod. In diesem Augenblick greift auch Oberon wieder ein, der im Hintergrund alles beobachtet hatte und nun seine Titania wieder auf den Plan rufen kann. Am Schluss löst sich alles in Wohlgefallen auf. Huon bekommt die Geliebte, sein Diener Scherasmin darf Fatime, die Kammerzofe Reizas, ehelichen, das Elfenpaar ist ebenfalls vereint und zuguterletzt wird Huon auch noch von Gnaden Karls des Großen wieder in den Ritterkreis aufgenommen, aus dem er zuvor ausgestoßen worden war.

Alles war gut, nur der Komponist war bereits so schwindsüchtig, dass er nur mit Mühe zur Uraufführung des von Covent Garden in Auftrag gegebenen Oberon nach London reisen konnte. Er starb dort am 5.Juni 1826, kurz nachdem er noch einmal künstlerische Erfolge sowohl mit Aufführungen des ungemein populären “Freischützes” wie auch mit seinem neuen Werk hatte feiern können. Der Kritik der Folgejahre allerdings behagte das Stück, das sich in seiner Tradition deutlich an Mozarts “Zauberflöte” anlehnte und auf den englischen Geschmack zugeschnitten war, eher wenig. Man monierte, die Handlung sei unübersichtlich, die Figuren wären nur ausgestopfte Kostüme ohne Charakter, überhaupt sei die Oper in Konzeption und Durchführung misslungen. Diese Meinung hielt sich derart standhaft, dass sich sogar John Eliot Gardiner im Begleittext zur Neuaufnahme bemüßigt sah, eine Apologie des Oberon zu schreiben: “Über Oberon lässt sich leicht lästern – die Schwächen der Oper sind unübersehbar: das stilistische Mischmach, die Schalkhaftigkeit und die Manierismen in Planchés Libretto, das wirre Gefüge, das allen Versuchen Webers widerstand, ein überzeugendes Musikdrama zu gestalten. Dennoch bin ich weitaus eher geneigt, die zauberhafte Partitur Webers zu besingen als sie zu begraben. Tatsächlich ist es die einzige Oper, die ich in drei ganz unterschiedlichen Inszenierungen dirigiert habe, und meine Begeisterung und Zuneigung sind unvermindert. Mir scheint, dass Oberon letzten Endes durch drei Eigenschaften gerettet wird, die das Genre der romantischen Oper schlechthin definieren – Feuer, Fantasie und Finesse”. Gardiners Begeisterung ist über diese klaren Einführungsworte hinaus deutlich nachvollziehbar. Sowohl er selbst, als auch der Monteverdi Choir, das Orchestre Revolutionnaire et Romantique und die Solisten Steve Davislim (Oberon), Jonas Kaufmann (Sir Huon) und Hillevi Martinpelto (Reiza) haben unüberhörbar ihre Freude daran, Webers Musik umzusetzen. Solange das einem Komponisten gelingt, kann man geflissentlich über ein mäßiges Libretto hinwegsehen.

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