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John Eliot Gardiner
John Eliot Gardiner

Schluss mit lustig

13.09.2002

Nikolaus II war ein ernster Mann. Ganz anders als sein Großvater war der Fürst der Esterházy-Dynastie kaum für Oper und Instrumentalmusik zu begeistern. Ihm stand der Sinn nach geistlichen Klängen. Daher gab er alljährlich zum Namenstag seiner Frau bei Joseph Haydn eine Messe in Auftrag. So kam es zu einer Reihe von Spätwerken, in denen der Komponist am spirituellen Beispiel seine Kunst beweisen konnte.

Es war eine schwere Zeit für die höfische Kultur. Als 1789 in Frankreich die Bevölkerung auf die Barrikaden ging und mit der Französischen Revolution eine tiefgehende Veränderung der europäischen Kräfteverhältnisse einleitete, ging zugleich eine Ära der subventionierten Kunst zuende. Denn bislang hatten viele Komponisten ihr Heil im Umkreis der großen Fürstenhöfe gesucht und waren dafür zuweilen ansehnlich unterstützt worden. Ohne den adeligen Sponsor wäre die Musik des Barocks in ihrer Vielfalt kaum möglich gewesen und so freute sich auch der alte Haydn, dass er trotz der Krisenjahre seine Stelle bei der Familie Esterházy wieder bekommen hatte. Zwar war ihm angeboten worden, nach der erfolgreichen Londoner Jahren dauerhaft in England zu bleiben. Alte Verpflichtungen und das Bedürfnis nach Ruhe zog ihn jedoch auf das Festland zurück. Von 1795 an wohnte der inzwischen 63jährige daher in Eisenstadt bei Wien und hatte als Kapellmeister weitgehende gestalterische Freiheiten, sich neben den obligatorischen Messen für die Fürstin Maria Josepha Hermenegild auch den beiden Oratorien “Die Schöpfung” und “Die Jahreszeiten” zu widmen (die nach Haydns Tod seinen Weltruhm besiegelten).

 

Indes, die Messen mussten sein. Und so entstand 1798 zunächst die “Nelsonmesse”. Ihren Namen erhielt sie erst zwei Jahre nach ihrer Fertigstellung, als sie zu Ehren des englischen Admirals Nelson, der die Esterházys in Eisenstadt besuchte, aufgeführt wurde. Der Charakter war aber trotzdem bereits von den Kriegszeiten geprägt. Im Juli und August 1798 innerhalb von 53 Tagen komponiert, musste sie mit der aus Sparsamkeitsgründen um die Blaskapelle verringerten Instrumentierung des Hofensembles auskommen. Haydn sah die Umbesetzung als Chance und fügte drei Trompeten und die Orgelstimme bei, die der Messe zu dem fanfarenartigen, zuweilen düsteren Gesamtcharakter verhalfen. Die “Theresienmesse” vom Folgejahr wiederum kam über die Kaiserin Maria Theresia zu ihrem Namen, die bei einer Aufführung an der Wiener Hofkapelle den Solosopran übernommen hatte. Im Sommer 1799 entstanden und wahrscheinlich am 8.September des Jahres in der Bergkirche von Eisenstadt uraufgeführt, zeichnete sie sich durch kammermusikalischeren, verhalteneren Charakter als die “Nelsonmesse” aus. Auch hier mit eingeschränkter Instrumentierung ý Streicher, Klarinetten, zwei Trompeten und Pauken ý gelang Haydn ein intimes Meisterstück spiritueller Versenkung, das den düsteren Erlebnisse des Kriegsalltags eine glänzende hoffnungsvolle Dimension entgegen setzte.

 

Beide Werke sind als Teil des Messenzyklus, den Sir John Eliot Gardiner zusammen mit dem Monteverdi Choir und den English Baroque Solists bereits seit Ende der Neunziger begonnen hat, erneut ein Beweis dafür, wie sehr sich gestalterische Sorgfalt und profunde Recherche für die Interpretation historischer Kompositionen auszahlt. Denn dem britischen Spezialisten für Alte Musik und seinen Ensembles gelingt es, die Intensität der geistlichen Werke, einschließlich des noch beigefügten “Te Deum” von 1799/1800, mit einer Kraft und Deutlichkeit umzusetzen, dass auch mit langem zeitlichen Abstand klar wird, wie nachhaltig hier jemand mit den Mitteln der Kunst den Geist des Friedens beschwört.

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