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"The Shellac Project" – Die Stimme von Leo Tolstoi

The Shellac Project
© DG
21.02.2019

Leo Tolstoi ging mit leidenschaftlicher Anteilnahme durch die Höhen und Tiefen des 19. Jahrhunderts. Wer seine monumentalen Romane liest, wird auch heute noch unmittelbar von der Erzählwucht dieses Autors ergriffen, der wie kaum ein anderer Schriftsteller Menschenschicksale zu schildern wusste und mit ungeheurem Scharfsinn zeitlose Themen wie Liebe und Freundschaft, Schmerz und Abschied, Religion und Politik behandelte. Seine Romane und Erzählungen stecken voller Weisheiten und Einsichten, die sich im Medium seiner handelnden Figuren indirekt mitteilen.

In seinem essayistischen Werk ringt er um direkte Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Diesem Kontext seines Schaffens entstammen auch die Lesungen, die rund ein Jahr vor seinem Tod mittels der damaligen mechanischen Aufnahmetechnik aufgezeichnet wurden und jetzt in bestmöglicher digitaler Gestalt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die vorgetragenen Textpassagen können als aphoristische Essenz seiner Weisheiten gelten. 

Literarischer Weltruhm und innere Wandlungen: Leo Tolstoi (1828–1910)

Leo Tolstoi kommt am 9. September 1828 auf dem Familiengut Jasnaja Poljana im Gouvernement Tula zur Welt. Der Adelsspross, der schon als Neunjähriger Vollwaise wird, beschreitet zunächst einen standesgemäßen Weg, studiert, erwirbt ein Offizierspatent und reist durch Europa. Schon während des Studiums (Jura und Orientalische Sprachen) deutet sich eine grundlegende Ambivalenz in seinem Inneren an: Einerseits liebt er die Zerstreuung, das Vergnügen, die angesagten Salons, andererseits ist er fasziniert von religiöser Askese.

Hinzu tritt die Versuchung, Erfolg und öffentliche Anerkennung zum Mittelpunkt des Lebens zu machen. In den 1850er Jahren notiert er in sein Tagebuch: “Es gibt etwas, was ich mehr als das Gute liebe: Ruhm.” Den wird er schon bald haben: Mit den Romanen Krieg und Frieden (1862–1869) und Anna Karenina (1873–1878) erlangt er Weltruhm. Doch auf dem Höhepunkt seines Erfolges sucht ihn eine schwere Krise heim, die ihn an allem zweifeln lässt und seine Suche nach dem Sinn des Lebens in neuer Intensität aufflammen lässt.

Tolstoi möchte sein Leben ändern, schwört dem Rauchen, der Jagd und dem Alkohol ab, wird Vegetarier, tadelt das Eigentum und entwickelt sich zu einem scharfen Kritiker der sozialen Ungerechtigkeiten in Russland. Über die Eigentumsrechte an seinen Werken, die er an das russische Volk abtreten möchte, überwirft er sich mit seiner Frau Sofja Andrejewna, mit der er 13 Kinder hat. Im Herbst 1910 verlässt er heimlich die Familie. Unter großer medialer Anteilnahme stirbt er am 20. November 1910 im Haus des Bahnhofsvorstehers von Astapowo an einer Lungenentzündung.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens: Vier Lesungen      

Die jetzt in sorgfältiger digitaler Bearbeitung zugänglich gemachten Lesungen von Leo Tolstoi stammen aus dem Schellack-Archiv der Deutschen Grammophon und wurden etwa ein Jahr vor seinem Tod aufgezeichnet. Leo Tolstoi rezitiert in deutscher, französischer, russischer und englischer Sprache jeweils verschiedene Passagen seiner Sammlung von Zitaten und Reflexionen, die auf Deutsch im Jahre 1906 unter dem Titel “Für alle Tage. Ein Lebensbuch” erschien. Der deutsche Vortrag ist ein klassisches Memento mori.

Klar pointiert, deklamiert der Schriftsteller in ruhigem Ton: “Einer, der zum sofortigen Tode verurteilt ist, wird sich nicht um die Vermehrung oder Erhaltung seines Vermögens, auch nicht um seinen guten Ruf, auch nicht um den Triumph seines Volkes über andere Völker, auch nicht um die Entdeckung eines neuen Planeten und ähnliches bekümmern, wird aber eine Minute vor der Hinrichtung den Betrübten zu trösten trachten, dem gefallenen Greise auf die Beine helfen, die Wunde verbinden, dem Kinde ein Spielzeug ausbessern und ähnliches tun.”

In dem französischen Vortrag bringt Tolstoi sein kirchenfernes, auf den göttlichen Funken im Menschen gerichtetes Verhältnis zur Religion zum Ausdruck. Der englische Text kreist um die Selbstvervollkommnung des Menschen, dem Tolstoi eine unsterbliche Seele attestiert. In der russischen Lesung verteidigt Tolstoi schließlich die Idee der menschlichen Freiheit. Imponierend ist das audiophile Niveau des digitalen Produkts. Man hört den Schriftsteller klar und deutlich sprechen. Dabei beeindruckt sein für die damalige Zeit untypischer, pathosferner Deklamationsstil.     

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