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Kein Wunderkind und doch ein Wunder

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09.03.2023

Erika Morini wurde am 5. Januar 1904 in Wien geboren. Ihr Vater Oskar Morini, selbst ein Schüler von Jakob Grün und Joseph Joachim, leitete dort eine Musikschule, an welcher er Klavier, Violine und Gesang lehrte. Er gab seiner Tochter Erika ihren ersten Unterricht auf der Geige und förderte ihr ungewöhnliches Talent nach Kräften.  Mit acht Jahren war sie die jüngste Studentin am Wiener Konservatorium. 1918 spielte sie mit dem Leipziger Gewandhausorchester unter Arthur Nikisch ein Mozart-Violinkonzert spielte sie noch mit einer Dreiviertelgeige. Als das schmale 14jährige Mädchen auf die Bühne kam, lachte man im Publikum – als sie das Konzert beendet hatte, war dasselbe Publikum fasziniert und begeistert und rieb sich ungläubig die Augen. Später sagte sie: “Ich bin das einzige Kind gewesen, das mit dem Gewandhausorchester auftreten durfte.” 1935 emigrierten Erika und Morini und ihr Mann nach Amerika, wo sie ihren Vornamen fortan “Erica” schrieb.  

Erica Morinis weltweite Karriere währte mehr als 50 Jahre, sie spielte mit den großen Dirigenten jener Zeit zusammen, darunter Artur Nikisch, Felix Weingartner, Wilhelm Furtwängler. Sie war 17 Jahre alt, als sie im März 1921 begann, Schallplatten aufzunehmen, zunächst auf 78er-Platten, wie etwa die Live-Aufnahme von Mozarts A-Dur-Konzert vom Festival in Perpignan 1951 unter der Leitung von Pablo Casals

Eine Lücke wird geschlossen

Die jetzt veröffentlichte Edition sämtlicher Aufnahmen Erica Morinis für die Label Westminster, American Decca und Deutsche Grammophon auf 13 CDs schließt eine Lücke in der Reihe großer Interpreten des 20. Jahrhunderts.  Von Artur Nikisch, der in ihrem künstlerischen Leben eine große Rolle spielte, stammt das Zitat über sie: “Not a ‚Wunderkind‘ but a wonder”. Die 13 CDs umfassende Edition enthält sämtliche Studioaufnahmen Erica Morinis, darunter das   1957 in London aufgenommen Brahms Violinkonzert für das Label Westminster mit London Philharmonic Orchestra unter Artur Rodzinski, oder Glasunows a-Moll-Konzert op. 82, das Morini mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter Ferenc Fricsay im Oktober 1958 aufnahm. Die meisten ihrer Kammermusikaufnahmen, darunter zahlreiche Violinsonaten von Mozart und Beethoven entstanden in den 50er und 60er Jahren mit den Pianisten Leon Pommers und Rudolf Firkušný.

Die große stilistische Vielfalt und Repertoirebreiter Erica Morinis wird mit der “Zugaben”- CD dokumentiert, die sie im Mai 1955 mit Leon Pommers in New York mit aufnahm. Von Schubert über Gluck, Mozart, Gounod und Tschaikowsky bis zu Fritz Kreisler, der gesagt haben soll: “Niemand spielt Kreisler wie Morini.”

Die gestohlene “Davidov”

Morini hatte ihre weltweite Karriere mit zwei Stradivaris absolviert. Eine davon, die so genannte “Davidov”, bekam sie von ihrem Vater geschenkt, der sie von einem Pariser Händler für eine vergleichsweise niedrige Summe erworben hatte. Ihr tatsächlicher Wert betrug inzwischen 8 Millionen Dollar. Nachdem Erica Morini mit 71 Jahren mit einem Abschiedskonzert in New York gegeben hatte, spielte sie auf diesem Instrument nicht mehr und verwahrte es in einem Schrank in ihrem Appartement in der New Yorker Fifth Avenue. Am 18. Oktober 1995 entdeckte man, dass das Instrument gestohlen worden war, Erica Morini lag zu dieser Zeit todkrank in einem New Yorker Hospital, wo sie zwei Wochen später starb, ohne von dem Diebstahl erfahren zu haben.  Bis heute ist das Instrument unauffindbar.  

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