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Dietrich Fischer-Dieskau
Dietrich Fischer-Dieskau

Zwei Spötter

13.05.2005

Die Rolle von Librettisten kann sehr unterschiedlich sein. Viele Autoren waren schlicht Zulieferer für Komponisten, die die Basis für möglichst effektvolle musikalische Gestaltung lieferten. Einige allerdings schafften es wie etwa Arrigo Boito, der Lieblingstextdichter von Giuseppe Verdi, über diesen Dienstleistungsstatus hinaus Bedeutung zu erlangen. Mit Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss schließlich begann eine neue Epoche der künstlerischen Zusammenarbeit, die sich ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich anhand ihres Briefwechsels nachvollziehen lässt.

Das Besondere war die Dialogfähigkeit der beiden Persönlichkeiten. Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal waren in der Lage, sich gegenseitig zu kritisieren, ohne sich damit zu kränken – eine ungewöhnliche Eigenschaft, die im Miteinander großer Künstler eher selten ist. Sie verstanden sich, denn sie waren Freunde, die sich nicht nur über die gemeinsame Arbeit definierten. Gemeinsam mit Max Reinhardt zum Beispiel entwickelten sie die Idee der Salzburger Festspiele. Und im kreativen Austausch entstand ein halbes Dutzend einflussreicher Opern des Fin-de-Siècles, die die Rolle der Literatur im musikalischen Zusammenhang neu definierte. Zwischen 1909 und 1933 konzipierten Strauss und Hofmannsthal “Elektra”, “Der Rosenkavalier”, “Ariadne auf Naxos”, “Die Frau ohne Schatten”, “Die ägyptische Helena” und “Arabella” und schufen damit einen Typus literarisch orientierter Bühnenwerke, dessen innovatives Potential bis heute Spuren in der modernen Klanggestaltung hinterlassen hat. Im Unterschied zu früheren Arbeitsformen waren beide Protagonisten gleichermaßen an der Entwicklung der Werke beteiligt. Strauss einerseits war begeistert von Hofmannsthals Arbeit und bestellte bei ihm sehr konkrete inhaltliche Konstellationen, der Dichter wiederum las in den Partituren und war durchaus nicht immer zufrieden mit dem, was er vorfand. So waren die Opern in einen dialogischen, sich ständig korrigierenden Entwicklungsprozess eingebunden, der sie schließlich zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk werden ließ.

Diese Entstehungsgeschichte allerdings wäre der Nachwelt verborgen geblieben, wenn Strauss und Hofmannsthal nicht in regem Briefwechsel miteinander gestanden hätten. Da beide humorvolle und mit den Mitteln der Ironie vertraute Zeitgenossen waren, wurde aus diesen für den Moment bestimmten Dokumenten ein kulturhistorisches Kompendium, von dem der Kritiker Richard Alewyn meinte: “Es gibt nichts, was diesem Briefwechsel vergleichbar wäre in der Weltliteratur: Zwei starke künstlerische Potenzen, der bedeutendste Komponist seiner Generation und einer der großen Dichter des Jahrhunderts, verbinden sich und machen ihren Briefwechsel zum Organ ihrer Zusammenarbeit”. Insofern lag es nahe, diese Texte nicht nur im Rahmen einer Lesung vorzustellen, sondern sie ebenfalls von großen Künstlern vortragen zu lassen.

Die Schubertiade von Schwarzenbeck lud daher im Jahr 2002 den Sänger Dietrich Fischer-Dieskau und den Sprecher Gert Westphal zum Wortduell auf die Bühne und die beiden Koryphäen meisterten die Herausforderung in erhoffter Brillanz. Der eine mimte einen verschmitzten, stellenweise wunderbar misanthropischen Komponisten, der durchaus über seine Verehrer und Zeitgenossen zu spotten verstand. Der andere schlüpfte in die Rolle des höflich dezidierten Autors, der mit schelmischer Eleganz die kleinen Unsauberheiten seines Gegenübers herauszustellen vermochte. So entstand ein grandioses, live gelesenes Schelmenstück, das nun auch als Hörerlebnis auf CD erhältlich ist.

Weitere Literatur-CDs finden Sie unter www.dg-literatur.de

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