Rafal Blechacz | Biografie

Biografie

Rafal Blechacz
Gedankliche und emotionale Tiefe verbinden sich in Rafał Blechacz’ Musizieren zu Interpretationen voll Energie und Scharfblick. Der polnische Pianist gilt in jeder Hinsicht als Ausnahmekünstler – die Washington Post nannte ihn »einen Musiker im Dienste der Musik, der ihre Tiefen ergründet, ihrer Bedeutung nachgeht und ihre Möglichkeiten erforscht«. Die völlige Beherrschung der Tastatur und die Fähigkeit, das gesamte Ausdrucks­spektrum des Instruments zu erschließen, bilden das Fundament seines Künstlertums – Qualitäten, die Blechacz’ künstlerische und berufliche Entwicklung tragen, seit er 2005 den Ersten Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb gewann. Heute gehört er zu den besten Pianisten der Welt, der viel gefragt ist, vor allem wegen der Ehrlichkeit und der visionären Kraft all seiner Darbietungen von Bach und Beethoven bis zu Chopin und Szymanowski.
Rafał Blechacz wurde im Juni 1985 in der nordpolnischen Kleinstadt Nakło nad Notecią geboren. Er zeigte schon früh Anzeichen musikalischer Begabung und erhielt mit fünf Jahren ersten Klavierunterricht. Zunächst besuchte er die Arthur-Rubinstein-Musikschule in Bydgoszcz, dann studierte er an der dortigen Feliks-Nowowiejski-Musikakademie, wo er im Mai 2007 bei Katarzyna Popowa-Zydroń sein Examen machte. Blechacz’ ungewöhnliche technische und künstlerische Fähigkeiten trugen ihm eine Reihe von Wettbewerbserfolgen ein. 2002 erhielt er den Zweiten Preis beim Internationalen Arthur-Rubinstein-Wettbewerb für junge Pianisten in Bydgoszcz, im Jahr darauf gewann er den Internationalen Klavierwettbewerb in Hamamatsu, und der Höhepunkt war 2005 der Erste Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau, wo er als erster polnischer Musiker seit Krystian Zimerman 30 Jahre zuvor den Sieg davontrug.
Bei dem Chopin-Wettbewerb nur wenige Monate nach seinem 20. Geburtstag wurden Ausdruck und Intensität seiner Beiträge nicht nur mit der Goldmedaille belohnt, sondern auch mit allen vier Sonderpreisen des Wettbewerbs und dem Publikumspreis. Im Mai 2006 unterzeichnete er einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon und wurde damit nach Zimerman der zweite polnische Pianist im internationalen Künstlerteam des gelben Labels. Die neue Partnerschaft begann im Oktober 2007 mit dem Erscheinen von Blechacz’ erstem Solo-Album, das sämtliche Préludes und die zwei Nocturnes op. 62 von Chopin enthielt. Das Album veranlasste das BBC Music Magazine zu der Feststellung, Blechacz sei »ein überragender Pianist und ein noch größerer Musiker«, und wurde mit einem Echo Klassik-Preis und einem Diapason d’or ausgezeichnet. Sein zweites Album, ein Recital mit Klaviersonaten von Haydn, Mozart und Beethoven, erschien im Oktober 2008. Die Zeitschrift Fanfare rühmte seine »überzeugenden und bemerkenswert reifen« künstlerischen Qualitäten.
Im Laufe der letzten zehn Jahre hat Blechacz seinen Rang als großer Chopin-Interpret bekräftigt. In seinen Konzertprogrammen und in seiner Diskografie bei Deutsche Grammophon nimmt das Werk seines Landsmanns einen beträchtlichen Raum ein. Neben dem erfolgreichen Album mit den Polonaisen erschien 2009 anlässlich des bevorstehenden 200. Geburtstags des Komponisten seine Aufnahme der beiden Klavierkonzerte mit dem Concertgebouworkest und Jerzy Semkow. Das Album erhielt 2010 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und zwei Fryderiks, den wichtigsten polnischen Musikpreis.
In Blechacz’ Repertoire zeigt sich auch seine Liebe zu anderen Komponisten wie J. S. Bach, Beethoven, Brahms, Debussy, Liszt, Mozart, Schumann und Szymanowski. 2012 wurde sein Album mit Werken von Debussy und Szymanowski veröffentlicht, es erhielt einen Echo Klassik-Preis. Im Februar 2017 erschien sein sechstes Album für Deutsche Grammophon mit den Partiten Nr. 1 und 3, dem Italienischen Konzert und anderen Werken von J. S. Bach. Gemeinsam mit der koreanischen Geigerin Bomsori Kim spielte er kürzlich Werke von Fauré, Debussy, Szymanowski und Chopin ein. Die Aufnahme erschien im Januar 2019 und war sein erstes Album mit Kammermusik für Deutsche Grammophon.
2016 zog Blechacz sich zeitweilig aus dem Konzertleben zurück, um seine Promotion im Fach Philosophie an der Nikolaus-Kopernikus-Universiät in Toruń (Polen) abzuschließen. Seine Dissertation widmet sich Aspekten von Metaphysik und Ästhetik in der Musik. Und diese Arbeit half ihm, wie er erklärt, »die Freiheiten und Grenzen musikalischer Interpretationen besser zu verstehen«. Ende Januar 2017 kehrte er auf das Konzertpodium zurück, und zu den Höhepunkten seines umfangreichen Arbeitspensums zählten seither eine Recital-Tournee nach Japan, China, Südkorea und Taiwan (Oktober 2017); Aufführungen von Chopins Klavierkonzert Nr. 2 mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra und Mirga Gražinytė-Tyla in Großbritannien, Deutschland und Belgien (November 2017); und eine ausgedehnte Reihe von Recitals mit Werken von Mozart, Beethoven, Schumann und Chopin, die ihn erneut nach Japan sowie durch Europa und Nordamerika führte (Februar bis Juli 2018).
Am Beginn seiner Saison 2018/19 stand ein Recital mit Bomsori Kim in Polen, es folgten Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 mit dem hr-Sinfonieorchester und Andrés Orozco-Estrada in Deutschland, der Slowakei und Österreich, Chopins Klavierkonzert Nr. 1 in Salzburg sowie Recitals in Italien, Deutschland, der Schweiz und Großbritannien. Im Februar spielt er mit Bomsori Kim Werke aus ihrem neuen Album in Südkorea, weitere gemeinsame Auftritte sind für das Frühjahr in Heidelberg, Katowice, Gdańsk, Kraków und Wrocław geplant. Wiederum Mozarts Klavierkonzert Nr. 23, diesmal mit dem Orchestre symphonique de Montréal und Kent Nagano, steht bei Aufführungen in Kanada, Deutschland und Österreich auf dem Programm (Februar/März), und mit dem Mozarteumorchester Salzburg und Riccardo Minasi bringt er Chopins Klavierkonzerte Nr. 1 und 2 in Ungarn, Deutschland und Österreich zu Gehör (April).
2010 wurde Rafał Blechacz’ Arbeit mit dem Premio Internazionale »Accademia Musicale Chigiana« gewürdigt, den die Accademia Musicale Chigiana in Siena alljährlich einem überragenden Pianisten oder Geiger verleiht. 2014 erhielt er den Gilmore Artist Award, einen begehrten Preis, der alle vier Jahre vergeben wird, »nach einem strengen, vertraulichen Auswahlverfahren« in Anerkennung von »außerordentlichen pianistischen Fähigkeiten«. Neben den Preisen und Auszeichnungen wurde Blechacz auch höchstes Lob von älteren Kollegen zuteil: Martha Argerich, die Gewinnerin des Chopin-Wettbewerbs 1965, nannte ihn »einen außergewöhnlichen, sehr ehrlichen und sensiblen Künstler«, und für den irischen Pianisten und Pädagogen John O’Conor ist er »einer der größten Künstler, die ich je im Leben gehört habe«.
1/2019
Folge der Deutschen Grammophon