Thomas Strønen - Parish

Parish ist der Name eines bereits 2001 gegründeten Quartetts, das jeweils zur Hälfte aus norwegischen und schwedischen Musikern besteht und überwiegend improvisierten kammermusikalischen Jazz in der Tradition von Paul Bley und Jimmy Giuffre spielt. Geleitet wird das Quartett, das hier mit balladesken Improvisationen besticht, von dem 33jährigen Thomas Strønen, der u.a. schon mit Tomasz Stanko und Silje Nergaard arbeitete sowie Mitglied der mittlerweile aufgelösten norwegisch-britischen Band Food war.
Nachdem sich das Ensemble vor vier Jahren formiert hatte, ließ es noch im selben Jahr beim Oslo Jazz Festival einen Live-Mitschnitt für sein Debütalbum “Rica” machen, das bei dem holländischen Label Challenge herauskam. Seitdem konnte man das Quartett nur noch bei Auftritten erleben, die allerdings deutlich machten, daß es immer mehr zu einer eigenen Identität fand.
Der 1972 geborene Thomas Strønen war Mitgründer und -leiter des mittlerweile nicht mehr existierenden norwegisch-britischen Quartetts Food, in dem er mit Trompeter Arve Henriksen, Bassist Mats Eilertsen und dem britischen Saxophonisten Iain Ballamy zusammenarbeitete. Außerdem begleitetete Strønen schon Tomasz Stanko, das Cikada-Streichquartett sowie Silje Nergaard und nahm mit Supersilent-Keyboarder Ståle Storløkken das vielbeachtete Duo-Album “Humcrush” für Rune Grammofon auf. Zur Zeit arbeitet der Schlagzeuger überdies an einem eigenen Elektronik-Solo-Projekt namens Pohlitz.
Bassist Mats Eilertsen (Jahrgang 1975) ist ECM-Hörern durch seine Zugehörigkeit zur Jacob Young Group bekannt. Sowohl auf dem Album “Evening Falls” als auch auf der Europa-Tournee von Youngs Band verstand es Eilertsen, sich mit seinem exzellenten Baßspiel in Szene zu setzen. Bei Konzerten begleitete er u.a. schon Trygve Seim, Pat Metheny, Kenny Wheeler, Susanne Abbuehl, Christian Wallumrød und Nils Petter Molvær. Mit seinem norwegischen Landsmann Strønen bildete er schon öfter ein Rhythmusgespann: beispielsweise auf seinem eigenen Album “Turanga” (auf dem neben dem holländischen Cellisten Ernst Reijseger auch Fredrik Ljungkvist mitspielte) und im Trio der Pianistin Maria Kannegaard.
Fredrik Ljungkvist (Jahrgang 1969) gilt als der herausragende zeitgenössische Saxophonist und Klarinettist Schwedens. Er arbeitete unter anderem mit so bekannten schwedischen Jazzmusikern wie Anders Jormin, Raymond Strid und Mats Gustafsson zusammen, aber auch mit internationalen Größen wie Marc Ducret, John Taylor, Axel Dörner und Ken Vandermark. Als Mitglied von Vandermarks Territory Band tourte er bereits durch ganz Europa und die USA.
Mit seinen 61 Jahren ist Bobo Stenson mit Abstand der älteste Musiker dieses Ensembles und könnte locker der Vater seiner drei Mitspieler sein. Dennoch fügt sich der Pianist, der seine Karriere in den späten 60er Jahren begann, nahtlos und ohne Starallüren in das Gruppengefüge ein. Gleich am Anfang seiner Laufbahn spielte Stenson in Schweden mit durchreisenden oder dort residierenden amerikanischen Musikern wie Sonny Rollins, Dexter Gordon, Stan Getz und Gary Burton zusammen. Damals freundete er sich auch mit dem Trompeter Don Cherry an, mit dem er bis zu dessen Tod im Jahre 1995 immer wieder den kreativen Austausch suchte (das letzte gemeinsame Album der beiden war 1993 “Dona Nostra” für ECM). Seine ersten Aufnahmen für das ECM-Label machte Bobo Stenson 1971 als Sideman von Jan Garbarek (“Sart”) und mit seinem eigenen Trio mit Arild Andersen und Jon Christensen (“Underwear”). In den Mittsiebzigern war das Jan Garbarek-Bobo Stenson Quartet eine der meistgefeierten Bands bei europäischen Jazzfestivals. Das Quartett spielte mit “Witchi-Tai-To” und “Dansere” zwei grandiose Klassiker für ECM ein. Von 1988 bis 1997 arbeitete der Pianist auch häufig mit Charles Lloyd (dokumentiert auf den Alben “Fish Out Of Water”, “Notes From Big Sur”, “The Call”, “All My Relations” und “Canto”) und Tomasz Stanko (“Matka Joanna”, “Leosia” und “Litania”) zusammen. In letzter Zeit konzentrierte sich Stenson vor allem auf sein eigenes Trio, mit dem er für ECM die Alben “Reflections”, “War Orphans”, “Serenity” (alle mit Anders Jormin und Jon Christensen) und “Goodbye” (mit Jormin und Paul Motian) einspielte.
Auf “Parish” spielt der u.a. von Bill Evans beeinflußte Bobo Stenson vor allem verhaltene Single-Note-Linien. Der Klarinettenton von Fredrik Ljungkvist ist von astringierender Schönheit (etwa in den vier Trio-Suiten), während seine Tenorsax-Phrasierung eher zu bluesiger Expressivität (“In Motion”) tendiert. Mats Eilertsen weckt teilweise Erinnerungen an den großartigen Scott LaFaro, während Strønens Schlagzeugspiel durchweg flink und einfallsreich ist. Schon im September möchte sich das Quartett auf einer Europa-Tournee auch live präsentieren.