Ein Jahrzehnt nach der “Zauberflöte” widmete sich Karl Böhm noch einmal ausgiebig Mozart und nahm alle Sinfonien auf. So sehr er sich sein ganze Künstlerleben lang für die Vielfalt des Repertoires stark machte, so begeistert kam der österreichische Dirigent immer wieder auf die Werke seinen berühmten Landsmannes zurück. Und wenn die Voraussetzungen ideal waren, dann gelangen ihm Meisterwerke der Interpretationskultur.
Das Besondere an Karl Böhm war nicht nur seine Sensibilität und Autorität im Umgang mit Werken wie mit Künstlern, sondern auch die Bescheidenheit, mit der er sich in den Dienst der Musik stellte. Seine Karriere begann der österreichische Dirigent bereits 1917, als er als 23jähriger eine Stelle als Repetitor in seiner Heimatstadt Graz angeboten bekommt. Ausgebildet bei Eusebius Mandyczewski, konnte der junge Mann seine Kenntnisse am sinfonischen Ernstfall erproben und schaffte es bald zum Kapellmeister. Im Jahr 1921 holte ihn Bruno Walter nach München. Über Darmstadt und Hamburg landete er 1934 in Dresden, wo er die Nachfolge des vor den Nazi-Schergen geflüchteten Fritsch Busch an der Oper antrat. Es wurden wichtige Jahre für Böhm, denn in die Zeit bis 1942 fielen unter anderem die Uraufführungen von Richard Strauss' “Die Schweigsame Frau” und “Daphne”, deren Durchführung ihm übertragen wurden. In den Nachkriegsjahren schließlich entwickelte er sich zu einem viel gefragten Stardirigenten, der von Buenos Aires bis Bayreuth und Tokio bis New York mit nahezu allen großen Ensembles seiner Epoche arbeitet.
Die Aufnahme der “Zauberflöte” im Juni 1964 in der Berliner Jesus-Christus-Kirche fällt dabei in die Hochphase seiner Popularität. Böhm konnte daher nicht nur mit ausgezeichneten Produktionsbedingungen, sondern auch mit der Crème der damaligen Künstlerelite rechnen, um ein Projekt wie die Kompletteinspielung von Mozarts Opern-Klassiker zu wagen. Die Berliner Philharmoniker bildeten den verlässlichen Grundstock der Qualität. Aber auch die Solisten waren bis in die kleinen Rollen hinein hervorragend besetzt. Neben Evelyn Lear (Pamina), Fritz Wunderlich (Tamino) und Dietrich Fischer-Dieskau (Papageno) konnte man etwa Martti Tavela und James King als “Geharnischte” oder Hildegard Hillebrecht, Cvetka Ahlin und Sieglinde Wagner als “Damen der Königin” erleben. Als eine der ersten vollständigen Aufnahmen des Werkes für LP konnte die “Zauberflöte” darüber hinaus mit neugieriger Aufmerksamkeit durch Öffentlichkeit und Kritik rechnen. Tatsächlich wurde die noch 1964 veröffentlichte Platte nicht nur mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (u.a. Deutscher Schallplattenpreis, Orphée d’Or 1966), sondern galt bald als Wegmarke schnörkelloser und vitaler Interpretation eines Werkes, dessen Rezeptionsgeschichte voller Manierismen war. Genau das hatte Böhm gewollt und es war ihm auch gelungen.
Die Referenz:
" Referenzaufnahme der Zauberflöte …musikalisch, sängerisch, klangtechnisch. Was für ein Tenor war doch Fritz Wunderlich, hier in der Rolle des Tamino zu hören." (Stereoplay 8/1987)