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Matthias Goerne
Matthias Goerne

Himmlisches

27.06.2003

Gustav Mahler hatte eine Vision. Er wollte das Lied aus dem Rahmen der Klavierbegleitung herauslösen, um ihm im Klanggewand des Kammerorchesters neue Facetten zueignen zu können. Das war für seine Generation ein ungewöhnliches Vorhaben und gibt auch ein Jahrhundert später der Sammlung “Des Knaben Wunderhorn” eine besondere, stilistisch wegweisende Bedeutung.

Die Text-Vorlagen waren ein wenig sonderbar. Denn die Gedichte, die Clemens Brentano und Achim von Arnim zwischen 1805 und 1808 unter dem Titel “Des Knaben Wunderhorn” herausgegeben hatten, gaben sich betont volkssprachlich und jovial. Sie trugen ebenso wie etwa Eichendorffs “Taugenichts” dazu bei, dass aus der zeitlichen Distanz ein verklärtes Bild von den deutschen Romantik sich in den Köpfen der Menschen festsetzte, das das schlichte Leben der einfachen Leute mit deren Freuden und Sorgen heroisierte. Auf der anderen Seite inspirierte sie aber auch Künstler, sich mit ihren und den durch sie transportierten Sinninhalten zu befassen.

 

Gustav Mahler sah die Sammlung als Möglichkeit, formal zu experimentieren. Die vergleichsweise einfachen Geschichten der Gedichte aus dem Land- und Soldatenleben, die beim Zuhören kaum Verständnisprobleme hervorriefen, ermöglichten es ihm, auf der Seite der Orchestrierung aufwändig und vielschichtig zu arbeiten. Er erfand für jeden der 14 Texte, die Riccardo Chailly eigens für die Neuaufnahme im Juni 2000 in ungewohnter Reihenfolge zusammen gestellt hat, eine spezielle Klangfarbe, die dem episch-emotionalen Geschehen der Worte zu entsprechen versuchte. Genau genommen erfand er für jedes Lied ein eigenes Orchester mit gesonderter Besetzung, das mit den jeweiligen Inhalten korrespondierte.

 

Und das war durchaus ungewöhnlich. Als er am 29. Januar 1905 in den kleinen Brahmssaal des Wiener Musikvereins zu einem “Liederabend mit Orchester” lud und auf diese Weise zum ersten Mal seine Vorstellung vom Kammermusikton der Begleitung den Spezialisten vorstellte, waren die Meinungen durchaus geteilt. Inzwischen weiß man, dass die Wechselwirkungen zwischen seiner Sinfonik und den Liedgestaltungen vielfältig waren. Überhaupt verschwimmen bei näherer Betrachtung die (künstlich aufgestellten) Grenzen zwischen den Gattungen. Mahler war geprägt von einer Vorstellung des Gesamtkunstwerkes und seine Sammlung “Der Knaben Wunderhorn” belegt diese These durch die fließenden Übergänge etwa zu den Sinfonien 2, 4 und 6, die in Wechselwirkungen mit den vokalen Werken entstanden sind.

 

Chailly trägt dieser Mehrdeutigkeit Rechung und setzt die Lieder entsprechen klangmächtig mit dem Royal Concertgebouw Orchestra in Szene. Mit dem Bariton Matthias Goerne und der Sopranistin Barbara Bonney hat er darüber hinaus zwei ausgesuchte Solisten, deren Stimmfarben sich hervorragend mit den Mahlerschen Klangräumen ergänzen. So ist insgesamt eine außergewöhnliche Aufnahme gelungen, so vital, wie die Liedtexte es suggerieren, und zugleich so reflektiert, wie Mahler es erfordert.

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