Die Kritik neigt dazu, milde zu lächeln, wenn sich Stars des Klassik-Business' dem populären Repertoire zuwenden. Das Publikum jedoch sieht das ganz anders. Es liebt seine Heroen insbesondere dann, wenn es sich in ihren Liedern wieder findet. So wurde Plácido Domingos Album “Be My Love” von 1976 eines seiner erfolgreichsten, obwohl oder gerade weil er sich mit Evergreens wie “Granada” oder “Ay, Ay,Ay” einer Reihe von unterhaltsamen Ohrwürmern widmete. Nun wird die Aufnahme im Rahmen der Wiederveröffentlichungsreihe Spotlight wieder zu erschwingliches Preis und in sorgfältiger Edition zugänglich gemacht. Ein akustisches Schmuckstück mit Charme.
Der spanische Tenor Plácido Domingo ist eine der zentralen Persönlichkeiten des internationalen Musiklebens. Bislang sang er rund 120 Rollen und nahm weit mehr als 100 Tonträger auf, davon viele Opern in voller Länge. Er wurde mit Grammies ausgezeichnet, wirkte außerdem als Dirigent, Regisseur und engagiert sich sowohl im internationalen Kampf gegen Krankheiten wie Aids als auch für den Aufbau junger Talente. Mit anderen Worten: Domingo ist er einer der untadeligen Stars der klassischen Szene und noch immer ein Impulsgeber für zahlreiche neue Projekte. Ein Künstler, der sein Leben der Musik gewidmet hat, die er möglichst vielen Menschen nahe bringen will und die noch immer der Ursprung seiner Kraft ist: “Ich bin davon überzeugt, dass ich meine Energie direkt aus der Musik beziehe – je mehr ich singe, desto lieber tue ich es; ich kann mich bei meiner Arbeit gar nicht langweilen”. Wichtig ist ihm dabei die Vielseitigkeit. Wirft man einen Blick auf die CDs der vergangenen Wochen, erscheint Domingo mal als “Parsifal” mit Christian Thielemann in Wien, mal als italienischer Canzone-Meister wie in “Italia, ti amo”, mal als König der leichten Melodien, die er unter dem Titel “Be My Love” gemeinsam mit den Londoner Symphoniker unter der Leitung von Karl-Heinz Loges und Marcel Peeters aufgenommen hatte.
Die Affinität zu der leichteten Muse kam nicht von ungefähr. Plácido Domingo wurde am 21. Januar 1934 in Madrid als Sohn einer Zarzuela-Sängerin geboren. Von Kindesbeinen an war er mit Musik konfrontiert und fand auf natürliche Weise zu seiner künstlerischen Berufung. Im Jahr 1949 zog seine Familie nach Mexico City. Am dortigen Konservatorium begann Domingo mit der Ausbildung und studierte Klavier, Gesang und Dirigieren. Sein Bühnendebüt gab er 1957 in Mexico City in einer spanischen Zarzuela, allerdings zunächst als Bariton. Bald darauf wechselte er zum Tenor , wagte ein zweites Bühnendebüt als Tenor 1960 in Monterey als Alfredo in Verdis “La Traviata”. Von da an ging es zügig voran, an die Seite von Joan Sutherland, an die Opernhäuser von Tel Aviv, Hamburg, Mailand, New York. Als er anno 1976 das Album “Be My Love” veröffentlichte, war Domingo auf dem Zenith seiner Schaffenskraft. Er war bereits einer der großen Stars seines Fachs und erinnerte sich nun mit 14 populären Liedern in fünf Sprachen, die vor ihm schon Koryphäen wie Mario Lanza populär gemacht hatten, an die Wurzeln seiner Kunst. Vielleicht gelang es ihm gerade weil er einst über die Zarzuela den Einstieg in die Gesangswelt geschafft hatte, die Lieder mit der gleichen Intensität zu interpretieren, wie er eine Wagner-Rolle oder eine Strauss-Partie gesungen hätte. Der Musik jedenfalls tat das nur gut, denn sie klang mit einem Mal frisch und unverbraucht, als sei sie eben erst der Ideenwelt der Komponisten entsprungen.