Drei Meister des Understatement

Das Album auf LP und mehr von ECM Records finden Sie in unserem JazzEcho-Strore.
“Fred Herschs Werk zeichnet sich durch seine Innerlichkeit, seine Anspielungen und seine Zurückhaltung aus. Doch hinter dieser scheinbaren Diskretion verbirgt sich eine raue Sinnlichkeit – das Fleisch der Musik, ihr Puls.” (Francis Marmande, Le Monde)
Mit seinem dritten Album für ECM steuert der Pianist Fred Hersch einen wesentlichen Beitrag zum umfangreichen Kanon der Klaviertrios bei, den das Label in rund 55 Jahren etabliert hat. Gleich vier der ersten zehn ECM-Produktionen präsentierten dieses klassische Format: “Free At Last” (ECM 1001) von Mal Waldron, “Paul Bley with Gary Peacock” (ECM 1003) und “Ballads” (ECM 1010) von Paul Bley sowie “A.R.C.” (ECM 1009) von Chick Corea. Gemeinsam mit Drew Gress am Bass und Joey Baron am Schlagzeug interpretiert Hersch auf “The Surrounding Green” neben drei eigenen Stücken eine Reihe von Kompositionen des 20. Jahrhunderts – von bekannten Standards bis hin zu seltener gespielten Jazztiteln. Dabei besticht das Trio durch atemberaubend subtile Interaktionen, die auf einer ausgefeilten Kommunikation zwischen den drei Protagonisten und einem verfeinerten Sinn für Understatement basieren.
Das traumwandlerische Zusammenspiel dieser drei Musiker dürfte niemanden überraschen, der Herschs Diskografie etwas genauer kennt. Denn Gress und Baron sind langjährige Weggefährten des Pianisten und haben seit Ende der 1980er Jahre immer wieder mit ihm gespielt. In diesem Zeitraum sind mehr als ein Dutzend Aufnahmen entstanden, auf denen entweder der eine oder der andere in verschiedenen Konstellationen mit Fred Hersch zu erleben ist. Erstaunlicherweise ist dies nun aber ihre erste Studioaufnahme als Trio. Ihre einzigartige kollektive Herangehensweise, geprägt von jahrzehntelanger Erfahrung, ist in jedem einzelnen Stück zu hören und zu spüren.
“Joey ist ein solches Genie, was die Dynamik angeht, dass es für uns überhaupt kein Problem war, einander im Auditorio [Stelio Molo] zu hören”, bemerkt Hersch. “Und die Art und Weise, wie Drew zum Beispiel in ‘Plainsong’ und ‘The Surrounding Green’ spielt, zeugt von sehr viel Vertrauen darin, wie wir uns durch die Harmonien bewegen, wo wir innehalten und wo wir weitermachen. Ich habe das Gefühl, dass man auf dieser Platte unsere gemeinsame Geschichte wirklich heraushört! Ich hoffe, dass die Leute die Reife unserer Interaktionen, unsere Klangwelt und unsere Sensibilität im Spiel spüren können.”
Herschs eigene Stücke zeichnen sich durch ihre lyrische Intensität aus. “Plainsong” besticht durch raffinierte Harmonien und den verwobenen Kontrapunkt, das Titelstück “The Surrounding Green” durch zeitlose melodische Invention und “Anticipation” durch einen unwiderstehlichen brasilianischen Groove. Während frühere Solointerpretationen von “Plainsong” (eine davon ist auf Herschs Soloalbum “Open Book” aus dem Jahr 2017 zu finden) bereits den intimen Charakter der Melodie hervorheben, erweist sich die hier zu hörende Triofassung als leise Offenbarung. Bass und Schlagzeug verleihen dem Stück einen neuen Puls und erweiterte harmonische Dimensionen. Das Titelstück und “Anticipation” sind hingegen Neuzugänge im Hersch-Songbook.
Beim Schreiben eigener Stücke setzt sich Fred Hersch, wie er anmerkt, normalerweise einen begrenzten Zeitrahmen von 45 Minuten. Um diesen einzuhalten, lässt er stets einen Küchentimer mitlaufen. Zu seinen Lieblingskomponisten zählen Thelonious Monk, Wayne Shorter, Duke Ellington und Kenny Wheeler. “Viele ihrer Stücke sehen auf dem Notenblatt erst einmal nicht nach viel aus, aber sie sind eine ganze Welt für sich. Alles, was Monk geschrieben hat, passt auf 86 Seiten – alles! Ich glaube fest daran, dass eine gute Melodie nicht mehr als zwei wesentliche Elemente braucht – sie muss einprägsam sein, das heißt, sie muss im Gedächtnis haften bleiben. Und es sollte Spaß machen, sie zu spielen, wobei sie den Musikern auch Raum lassen sollte, das einzubringen, was immer sie einbringen wollen.”
In den Händen dieser drei Musiker gerät Ornette Colemans “Law Years” zu einer swingenden Post-Free-Jazz-Angelegenheit, während sie in Egberto Gismontis “Palhaço” eine elegante Reise durch subtile Triointeraktionen unternehmen. Bei “Embraceable You” von den Gershwin-Brüdern trumpfen der Pianist und seine Spielpartner mit ansteckender Nonchalance auf. Darüber hinaus erforscht das Trio die eindringliche Stimmung der melancholischen Melodie von Charlie Hadens “First Song”. Der im Jahr 2014 gestorbene Bassist hatte 1986 an der Einspielung eines der ersten Studioalben von Fred Hersch mitgewirkt (“Sarabande”, Sunnyside) – am Schlagzeug saß damals ebenfalls Joey Baron. Ihre tiefe Verbundenheit mit dem Stück, das hier von Drew Gress mit einem wunderbaren, mehr als zweiminütigen Bass-Intro eröffnet wird, ist durchgehend spürbar und resultiert in einer besonders ergreifenden Interpretation.
“Diese Aufnahme wirkt auf mich sehr konzentriert, was immer der Fall zu sein scheint, wenn ich mit Manfred zusammenarbeite”, sagt Fred Hersch. “Es ist mein drittes Album mit ihm, und alle drei wurden im Auditorio Stelio Molo in Lugano aufgenommen. Ich kann definitiv sagen, dass dieses Studio die perfekten Bedingungen bietet, um live, aber in einer kontrollierten Umgebung zu spielen.”